Am Wasser gebaut

 

Ich habe am Wasser gebaut. Von Anfang an.

Ich hätte ja lieber anders gebaut. Mit mehr Abstand zum Wasser. Vielleicht etwas höher gelegen. Und robuster.

Aber ich bin ein Altbau direkt an der Küste. Obwohl ich selbst noch gar nicht so alt bin.

Ich bin Typ Herzensprojekt. Was so viel heißt wie: da ist einiges nicht so, wie man es kennt. Denn das Meiste geht mir nah.

Dabei liegt mir nichts ferner.

 

Mir geht es nah, wenn du keine Umarmung bekommst, die du dringend brauchst.

Ich fühle, wie du mit deiner Überforderung kämpfst. Mit der Enttäuschung, dass du etwas nicht geschafft hast.

Ich spüre den Moment, wenn deine Wut kommt und auch, wenn sie wieder geht.

Ich fühle all das mit. Obwohl es nicht meine Gefühle sind.

 

„Ich fühle dich“ ist für mich keine Floskel.

„Ich fühle dich“ ist meine Realität.

Wenn du weinst, weine ich auch. Weil ich nicht anders kann.

Und manchmal tu ich es nicht, obwohl ich es müsste. Das fühlt sich fast noch schlimmer an.

Das bedeutet aber auch: Ich fühle, wie du liebst. Wie begeistert du bist. Wie entspannt du sein kannst.

Dann bin ich es auch. Und das ist schön.

 

Und trotzdem wäre ich so gern ein verdammter Damm aus Beton. Aber ich habe am Wasser gebaut.

Und hier am Ufer habe ich gelernt: Gefühle sind nicht immer cute. Manche Tage fühlen sich an wie ein monumentaler Hurricane, obwohl sie eigentlich nur eine zarte Brise sind.

 

Und neben all den anderen sind da noch meine eigenen Gefühle. Meine Stürme. Meine Stillen.

Manchmal denke ich, in mir ist gar nicht genug Raum für all das.

Aber zum Glück ist da das Meer das nimmt, was ich nicht halten kann.

 

Ja, ich habe am Wasser gebaut. Aber dort bin ich nun mal zu Hause.

Mein Haus hat einen Bootssteg. Und einen Rettungsring. Und die Erlaubnis, mich manchmal einfach fluten zu lassen.

 

Und auch, wenn mein Haus am Wasser steht sehe ich die Sonne an jedem Morgen zuerst.